Umbau bei ENOVOS – mit hohen Kosten für die Stadt Luxemburg.

Umbau im Kapital von ENOVOS – mit hohen Kosten für die Stadt Luxemburg[1]

Auf der Tagesordnung des hauptstädtischen Gemeinderats stand am 25. Januar die Übernahme der RWE- und E.ON- Aktienpakete bei ENOVOS International durch den Luxemburger Staat, die Stadt Luxemburg, die staatliche Investitionsgesellschaft SNCI und die Banque et Caisse d’Epargne de l’Etat (BCEE). Der Vertrag wurde am 22. Dezember 2015 unterschrieben; die Zustimmung des Gemeinderates des Stadt Luxemburg stand noch aus. Damit erhöht sich die Beteiligung des Staates von 25,44% auf 28%, die der Stadt Luxemburg von 8% auf 15,61 % und die der SNCI von 10,01% auf 14,2 %. Die Sparkasse beteiligt sich neu mit 12 %. Der private Investmentfonds ARDIAN übernimmt zwei weitere Prozent und hält nun 25,48% halten, während der Anteil von GDF Suez- Electrabel unverändert bei 4,71 % bleibt.

Die Steigerung des öffentlichen Anteils von 43,45% auf 69,81% kann auf den ersten Blick mit Zufriedenheit zur Kenntnis genommen werden.

Allerdings ist es an der Zeit, besonders aus der Sicht der Stadt Luxemburg, die ihre Energieversorgung und ihre Energienetze in die privatrechtlichen Aktiengesellschaften ENOVOS und CREOS eingebracht hat, rückblickend die verschiedenen Etappen dieser Privatisierung zu beleuchten und zu hinterfragen, was diese Strategie bisher gekostet, repektiv gebracht hat. Dies umso mehr, da die Beteiligungserhöhung richtig teuer wird !

Etappenweise Privatisierung: zuerst Gründung der LEO S.A. …

Im Rahmen der EU- Liberalisierung des Strommarktes wurde am 26. Juli 2002 im Gemeinderat der Stadt Luxemburg der Beschluss gefasst, die gemeindeeigene Verwaltung von Strom und Gas in die Aktiengesellschaft LEO S.A. zu überführen , mit dem Auftrag, “die Strom- und Gaspreise zu verhandeln und festzulegen, Produktion, Ankauf, Transport und Vermarktung der Energien, sowie die Valorisierung der Verteilernetze zu gewährleiseten.” Dagegen betonte der damalige Bürgermeister Helminger zu diesem Moment, er sehe keinen Anlass, die gemeindeeigenen Netze in diese Aktiengesellschaft einzubringen. Es sei “im Interesse des Stadt Luxemburg, das Verteilernetz selbst zu verwalten und auf dem liberalisierten Markt präsent zu sein”. Und weiter stellte er fest: “Die Einnahmen der Stadt Luxemburg über den Verkauf von Strom machen ein Drittel der Gesamteinnahmen aus.

LSAP und déi Lénk warfen dem DP-CSV-Schöffenrat damals vor, keine Alternativen untersucht zu haben, wie z. B. die Gründung einer Kooperative, die Schaffung eines öffentlichen Unternehmens, im Verbund mit anderen Gemeinden, oder die Gründung eines Groupement d’intérêt économique, zusammen mit der damaligen CEGEDEL. Die Gemeinderäte Robert Goebbels (LSAP) und Janine Frisch (déi Lénk) sprachen vom Beginn einer weiteren Privatisierung; mit der Gründung einer Aktiengesellschaft seien nun die Voraussetzungen für eine Überführung der öffentlichen Energienetze in den Privatsektor geschaffen, in anderen Worten deren Übernahme durch privates Kapital. Die Grünen, welche im Europaparlament die Liberalisierung mitgetragen hatten, um – wie François Bausch im Gemeinderat betonte, Monopolstellungen zu brechen und ökologischen Energieprodukten eine Chance zu geben -, gaben sich zurückhaltender, forderten aber gleichfalls, die Alternative eines öffentlichen Unternehmens zu untersuchen. Demgegenüber meinte der CSV-Schöffe Paul-Henri Meyers, ein öffentliches Unternehmen gewährleiste nicht die nötige Flexibilität und die Ziele der neuen Aktiengesellschaft gingen weit über die eines öffentlichen Unternehmens hinaus. Inwiefern, sagte er nicht.

Am 23. April 2007, nachdem CSV und LSAP auf Regierungsebene angeregt hatten, die bestehenden Strom- und Gasnetze in einer nationalen Netzgesellschaft zusammenzuschließen, beteuerte die neue Gemeinderat-Majorität von DP und Grünen wiederum, sie wolle “die städtischen Netze im Rahmen des Möglichen in kommunaler Hand halten” und es sei ihr Anliegen, dass die “ im Jahre 2003 geschaffene Gesellschaft LEO S.A. sich auch in Zukunft voll und ganz der kommerziellen Kundenbetreuung widmen kann.” In diesem Sinne beruhigte sie auch die Gewerkschaften.

Dass manche diesen Beteuerungen nicht trauten, zeigte sich, als im Mai 2010 in öffentlicher Sitzung des Gemeinderates der Schöffenrat Stellung beziehen musste zu einer Petition betreffend die Durchführung eines Referendum über die Frage der Eingliederung der Strom- und Gasnetze in die nationale Netzgesellschaft ENOVOS. Diese Petition scheiterte in der Folge jedoch an der notwendigen Zahl der Unterschriften. Am 3. Mai 2010 fand dann auf Anregung der LSAP eine informelle Sitzung des Gemeinderates statt. Dort wurde eine Motion des Schöffenrates verabschiedet, die 4 Bedingungen aufzählte, welche bei den Verhandlungen mit ENOVOS und dem Energieministerium zum Tragen kommen sollten:

“- renforcer l’actionnariat public et le pouvoir de gestion de la main publique … ,

– garantir les droits et acquis du personnel … ,

– assurer les investissements nécessaires dans le réseau d’énergie de la Ville … ,

– réunir toutes les conditions pour le maintien de la qualité du service aux clients … .”

Desweiteren sollte der Schöffenrat verschiedene Varianten in Betracht ziehen: “… faire décider par le conseil communal de la voie à suivre sur base de différentes alternatives possibles … .”

… dann Integration der LEO S.A. und der Energienetze in ENOVOS und CREOS

Am 12 Juli war es schließlich soweit: Auf dem Tisch des Gemeinderates lag der Vorschlag des DP-Déi Gréng-Schöffenrates, die LEO S.A und deren Handelsgeschäft in die Gesellschaft ENOVOS International S.A. sowie die städtischen Elektrizitäts- und Gasnetze in die Gesellschaft CREOS S.A. (eine ENOVOS-Filiale) einzubringen.

Es hieß von Seiten der Majorität, 3 Varianten seien geprüft worden:

Variante 1: die Verwaltung der Strom- und Gasnetze bleibt weiterhin in kommunaler Hand. 

Variante 2: Die Stadt Luxemburg gründet eine lokale privatrechtliche Gesellschaft und ist alleiniger Aktionär der Gesellschaft. 

Variante 3: LEO S.A., das städtische Gaswerk und das Elektrizitätswerk und die Netze werden in die nationale Energiegesellschaft integriert.”

ln Bezug auf die drei Varianten vertrat der Schöffenrat folgende Meinung:

  • Für die erste Alternative sei die Stadt nicht gerüstet, um den den neuen legalen Bestimmungen im Zusammenhang mit der Netzbetreibung in allen Punkten zu entsprechen (z.B. kommerzielle Buchführung).
  • Für die zweite Alternative fehle es an der notwendigen kritischen Masse (Netze), um die zusätzlichlichen Kosten auf der Ebene der Netzbetreibung tragen zu können und der Alleingang der Stadt würde finanziell ein zu großes Risiko darstellen.
  • Nur die dritte Variante, nämlich der Einstieg bei ENOVOS und CREOS sei sinnvoll. Damit würden auch die Bedingungen der Motion vom 3. Mai 2010 erfüllt, wie das Mitspracherecht bei strategisch wichtigen Entscheidungen und den notwendigen Investitionen (die Rede ging von 200 Millionen Euro für die nächsten 10-15 Jahre), die statutarische Absicherung des bestehenden Personals und die Dienstleistungsqualität für die Bürgerinnen und Bürger der Stadt.

Die LSAP warf dem Schöffenrat dagegen vor, ”eingleisig, sprich auf der Schiene ENOVOS/CREOS verfahren zu sein und das ‘Tafelsilber’ (Stromnetz, Gasnetz) zu verscherbeln”:

“- Die Stadt Luxemburg verfügt über die notwendigen Kapazitäten, um die Energienetze in kommunaler Hand zu halten.

– Die Stadt Luxemburg hat in den vergangenen Jahren [insbesondere im Bereich der Informatik] nicht die notwendigen Anstrengungen unternommen, um die städtischen Gas- und Stromwerke auf die neuen Herausforderungen und Verpflichtungen eines Netzbetreibers vorzubereiten … .

– Die Möglichkeit, eine kommerzielle Buchführung einzurichten, die das Gemeindegesetz vorsieht, wurde nicht beachtet.”

– Es wurde im Gemeinderat keine grundsätzliche Diskussion geführt und auch die Einwohner der Stadt Luxemburg wurden nicht in die Diskussion eingebunden.

– Die Entscheidung des Schöffenrates ist weder im Interesse der Stadt und ihrer Bürger, noch im Interesse der städtischen Angestellten.

– Der Einfluss der Stadt im Verwaltungsrat der kommerziellen Gesellschaft wird sehr beschränkt sein.

Die eigentliche Integration wurde am 6. Dezember 2010 im Gemeinderat der Stadt Luxemburg vollzogen. Sie wurde wie folgt vom Schöffenrat dargestellt:

“ Die Stadt Luxemburg übernimmt einen Anteil von 8% an der Holding ENOVOS International S.A. und von 20% an der Netzgesellschaft CREOS Luxembourg S.A. (…). LEO S.A. wird der Stadt Luxemburg 18 Millionen Euro zurückerstatten. Dabei handelt es sich um den Restbetrag eines Darlehens, das der Gesellschaft LEO am 12. Januar 2009 im Rahmen der Übertragung des Handelsgeschäftes als Betriebskapital gegeben wurde. Des Weiteren ist eine Kapitalerhöhung in Höhe von 46,8 Millionen Euro vorgesehen. Insgesamt verfügt LEO S.A. dann über ein Kapital von 107,8 Millionen (capital social) Euro. (… ). Da die Aktienteilhabe an ENOVOS International unter den gegebenen Umständen nur bei 7,16% liegen würde, … wird die Stadt dem Staat und der SNCI Aktien in Höhe von 16,2 Millionen Euro (dies entspricht den fehlenden 0,84%) abkaufen. Der ENOVOS -Verwaltungsrat zählt 16 Mitglieder.
7 Mitglieder sind Vertreter der öffentlichen Hand. 6 Mitglieder vertreten die privaten Partner (Arcelor Mittal, RWE, E.ON, Electrabel). Die Arbeitnehmer erhalten 3 Sitze. (…). Die Stadt Luxemburg strebt einen Aktienanteil von 20% bei CREOS Luxembourg S.A. an. Dies entspricht einem Kapitalbeitrag von 196,1 Millionen Euro. Um dieses Objektiv zu erreichen, muss die Stadt, zuzüglich zur Einbringung der städtischen Energienetze, deren Wert (…) auf 186 Millionen Euro geschätzt worden ist, die Summe von 10,1 Millionen Euro an die Gesellschaft CREOS zahlen. Die Stadt Luxemburg wird drei Vertreter in den Verwaltungsrat von Creos Luxembourg S.A. nennen können.”

Bürgermeister Helminger stellte außerdem in Aussicht, CREOS werde 20% ihres Nettogewinns und ENOVOS 8% ihres Umsatzes (!) an die Stadt Luxemburg ausschütten und CREOS habe “sich verpflichtet , in den ersten Jahren rund 110 Millionen Euro in die Netze auf dem Gebiet der Stadt Luxemburg zu investieren”. Rat Goldschmidt (DP) meinte, durch die Einbringung ihrer Netze in die Gesellschaft CREOS werde die Stadt Luxemburg “jährlich rund 60 Millionen Euro im außerordentlichen Budget einsparen”. Die Grünen vertraten die Auffassung, mit der Einbringung von LEO in die Gesellschaft ENOVOS könnten bessere Einkaufsbedingungen für Strom und Gas erzielt werden, gleichzeitig müsse jedoch die Monopolstellung von ENOVOS im Auge behalten werden. Dies sei die Aufgabe der Vertreter der öffentlichen Hand im Verwaltungsrat von ENOVOS. Sie fragten auch, ob deren Politik im Verwaltungsrat der beiden Gesellschaften in Zukunft im Gemeinderat diskutiert werde, erhielten darauf aber keine Antwort. Schließlich bestritten sie, dass die kommunalen Netze verkauft würden: diese würden lediglich in das Kapital von CREOS Luxemburg integriert und durch die Teilhabe am Gesellschaftskapital von ENOVOS werde die Stadt Mitinhaber der Energieproduktionsanlagen. Zudem have ENOVOS in den vergangenen Jahren auch in erneuerbare Energien investiert.

Die Überführung von LEO S.A. und der kommunalen Netze der Stadt in die Gesellschaften ENOVOS International und CREOS Luxemburg wurde von DP, Déi Gréng und CSV angenommen. LSAP und ADR stimmten dagegen. déi Lénk waren zwischen 2005 und 2011 nicht im Gemeinderat vertreten.

Was hat die Privatisierung der Energiennetze der Stadt bisher gebracht, respektiv gekostet ?

Die Liberalisierung und Privatisierung der Strom-und Gasversorgung der Stadt hat deutliche Spuren in den Finanzen der Stadt Luxemburg hinterlassen.

Zum Ersten wird im Haushaltsposten “Achat d’actions ENOVOS/CREOS” des Jahres 2010 :

  • mit 10,1 Millionen Euro die Differenz zwischen dem Wert der gemeindeeigenen Netze (=186 Millionen Euro) und der 20-prozentigen Beteiligung an CREOS Luxemburg verbucht;
  • mit 16,2 Millionen Euro die Differenz zwischen dem Wert von LEO S.A. und der 8-prozentigen Anteilhabe am Kapital von ENOVOS International eingetragen .
    Aus dieser Differenz (8%-7,16%=0,84%=16,2 Millionen Euro) kann mat den damaligen Wert des 8-prozentigen ENOVOS-Aktienpakets errechnen, nämlich 154,3 Millionen Euro.

Zum Zweiten ergeben sich mit der Einbringung der LEO S.A. in die ENOVOS International S.A. hohe Einnahmenausfälle für die Gemeinde: Wie bereits erwähnt, machten Bürgermeister Helminger zufolge die Einnahmen aus dem Verkauf von Strom normalerweise 30% der Gemeindeeinnahmen aus. Natürlich muss man aber auch die Ausgaben berücksichtigen, davon besonders die Personalausgaben und die notwendigen Investitionen. Diese beiden Ausgabenposten wurden ab 2011 von CREOS übernommen.

In Sachen Personal wurde festgehalten, dass die Stadt zwar weiter die Löhne bezahlt, diese aber von CREOS zurückerstattet bekommt. Diese Rückerstattungen beziffern sich auf 62,5 Millionen Euro zwischen 2011 und 2015. Zusätzlich erhält die Stadt Mieteinnahmen für die zur Verfügung gestellten Immobilien. Diese haben sich auf 6,5 Millionen für den Zeitraum 2011-2015 belaufen.

In Sachen Investitionen sei bemerkt, dass diese bei jedem Unternehmen, sei es öffentlich oder privat, im Preis der Dienstleistungen zu berücksichtigen sind, ansonsten für die Zukunft nicht vorgesorgt werden kann. Deshalb wären auch unter Gemeindeführung die 91,5 Millionen Euro Investitionen in die Energienetze der Stadt Luxemburg zwischen 2011 und-2015 aus den Einnahmen des Elektrizitäs- und Gasgeschäfts finanziert worden. Es sei hervorgehoben, dass erst in der ersten Gemeinderatssitzung dieses Jahres dem Gemeinderat der Stadt, auf eine Frage von déi Lénk hin an den Schöffenrat, die erwähnte Investitionssumme mitgeteilt wurde.

Davon abgesehen, dass infolge der Privatisierung der Gemeinde ein hoher Einnahmencashflow entgeht, zählt schließlich das Resultat. In der Gemeinderatssitzung vom 26. Juli 2002, wo der Beschluss gefasst wurde, die gemeindeeigene Verwaltung von Strom und Gas in die Aktiengesellschaft LEO S.A. zu überführen war die Rede gegangen von 16,2 Millionen Euro Gewinn beim Elektrizitätswerk und 8 Millionen Euro Gewinn beim Gaswerk im Jahre 2001. Im Vergleich dazu fallen die ENOVOS/CREOS Dividenden, welche entsprechend den Angaben des Schöffenrats im Zeitraum 2011 bis 2015 von ENOVOS und CREOS an die Stadt bezahlt wurden, recht mager aus: 48,5 Millionen Euro innerhalb dieser 5 Jahre, gegenüber den soeben erwähnten 24,2 Millionen Gewinn allein im Jahre 2002. Auf 5 Jahre hochgerechnet hätte die Stadt somit 121 Millionen Gewinn mit dem Elektrizitäts – und dem Gaswerk gemacht, wäre sie alleiniger Besitzer geblieben. Gleichfalls erwies sich die Ankündigung von Bürgermeister Helminger in der Gemeinderatssitzung vom 6.12.2010, ENOVOS werde 8% ihres Umsatzes (!) an die Stadt Luxemburg ausschütten, als Flop.

Dem Argument, es sei im Interesse der Gemeinde , dass ENOVOS und seine Tochtergesellschaft CREOS (zu 75,43% in den Händen von ENOVOS International S.A. und zu 20% in Hand der Stadt Luxemburg [2] ) nicht ein Übermaß an Dividenden ausbezahlen, damit die notwendigen Investitionen im Interesse der Allgemeinheit in Eigenfinanzierung durch ENOVOS und CREOS vorgenommen werden können, kann man nur zustimmen. Allerdings gilt es, dieses Argument bis zu Ende zu nachzuvollziehen und nicht zu übersehen, dass mit der Privatisierung ein Großteil der ausgeschütteten Gewinne – zwischen 2011 und 2015 mehr als 56% bei ENOVOS und mehr als 75% bei CREOS Luxemburg – der Allgemeinheit entzogen werden.

Bei einer Rendite von derzeit 7,60%, die mittelfristig vom Institut luxembourgeois de régulation (ILR) festgelegt wird [3], bleibt übrigens die Netzbetreibung eine sehr rentable Investition in einem regulierten und daher abgesicherten Umfeld, besonders wenn man sie mit den derzeitigen Bankzinsen vergleicht. Es ist daher unverständlich, dass die Stadt Luxemburg ihre Energienetze ausgelagert und damit privaten Anlegern weitgehend Zugang zu dieser Rendite verschafft hat, und sogar noch 10,1 Millionen Euro zusätzlich auf den Tisch gelegt hat.

Hätte die Stadt Luxemburg ihre Netze behalten und sie , wie die Stadt Esch dies tat, an eine 100-prozentige Tochtergesellschaft vermietet, hätte sie, genau wie die Stadt Esch, einen jährlichen Pachtzins erhalten. Nimmt man den Ende 2010 geschätzten Netzwert von 186 Millionen als Basis, kann man einen Pachtzins von über 14 Millionen Euro errechnen. Allein dies hätte in den letzten 5 Jahren etwa 70 Millionen Euro erbracht – neben dem Gewinn der 100-prozentigen Tochtergesellschaft, der nach erforderlichen Rücklagen an die Gemeindekasse geflossen wäre.

Auch nach dem Ausstieg von E.OS und RWE bleiben bei ENOVOS International S.A. 30,19 % des Kapitals – und damit des zukünftig ausbezahlten Gewinns in Privathand (Ardian-Investmenfonds: 25,48% und GDF-Electrabel: 4,71%).

Natürlich kann man nicht sagen, die StadtLuxemburg hätte Anspruch auf den gesamten Gewinn von CREOS und ENOVOS. Der Wert der stadteigenen Netze und der Marktanteil von LEO S.A. sind geringer als die Anlagen von CREOS und der Marktanteil von ENOVOS. Doch wären die entsprechend geringeren Gewinne insgesamt an die Gemeinde gegangen und die Stadt hätte allein über ihre Nutzung entscheiden können !

Gleichzeitig hätte ohne Privatisierung die Stadt ihre Energiepolitik weiterhin selbst bestimmen können, sowohl in oekologischer wie in sozialer [4] Hinsicht, sie hätte problemlos über die gewünschten Informationen betreffend den Energieverbrauch verfügt und das Personal wäre in Gemeindehand geblieben.

“Black box”

CREOS hat 5 Jahre lang keine Zahlen über die Investitionen in die Energienetze der Stadt Luxemburg geliefert. Wie bereits erwähnt, wurde erst kürzlich(am 25.1.2016) dem Gemeinderat der Stadt, auf eine Frage von déi Lénk hin an den Schöffenrat, eine Investitionssumme von 91,5 Millionen Euro zwischen 2011 und-2015 mitgeteilt. Zur Erinnerung : Bürgermeister Helminger hatte am 6.12.2012 von der Verpflichtung von CREOS gesprochen , in den ersten (?) Jahren rund 110 Millionen Euro in die Netze auf dem Gebiet der Stadt Luxemburg zu investieren.

Sogar in Sachen Energieverbrauch auf dem Gebiet der Stadt verweigert ENOVOS/CREOS “aus Datenschutzgründen” den Informationszugang, und obschon die Gemeinde Luxemburg in den Verwaltungsräten von ENOVOS und CREOS vertreten ist, hat die Stadtverwaltung seit der Privatisierung nicht einmal Zahlen über den Energieverbrauch in den gemeindeeigenen Gebäuden erhalten ! Letzteres Problem scheint indes nun nach längeren Diskussionen gelöst.

Bei so viel Informationsdefizit mutet die berechtigte Anfrage der Grünen vom 6. Dezember 2010, im Gemeinderat zu diskutieren, welche Politik die Repräsentanten der Stadt im Verwaltungsrat der beiden Gesellschaften vertreten sollen, ziemlich unrealistisch an ! Denn diese Vertreter hatten bisher offensichtlich dort sehr wenig Einfluss!

Auch betreffend das anfängliche CREOS-Personal gibt est Klärungsbedarf. Das ehemalige Personal des Elektrizitätswerks und des Gaswerks hat entsprechend der Konvention vom 13. Dezember 2010 zwischen der Stadtverwaltung und CREOS sein Gemeindestatut behalten. Es bleibt formal weiterhin bei der Gemeinde angestellt, doch liegt die operationelle Autorität bei CREOS. In der Praxis sieht das so aus: Will jemand in einen anderen Dienst der Gemeinde wechseln (und damit CREOS verlassen), entscheidet die CREOS-Direktion, ob sie ihn oder sie gehen lässt oder nicht. Derzeit liegt eine diesbezügliche parlementarische Anfrage des déi Lénk-Abgeordneten David Wagner an den Innenminister vor.
Die neuen CREOS- Mitarbeiter erhalten jeweils einen privatrechtlichen Arbeitsvertrag.

Erneut eine hohe Belastung für die Finanzen der Gemeinde … 

Die Erhöhung der Beteiligung der Stadt Luxemburg am Kapital von ENOVOS International von 8%auf 15,61% wird die Gemeindefinanzen stark belasten, und zwar zu einem Zeitpunk, wo die Stadt den Wohnungsbau zu annehmbaren Preisen vorrangig fördern müsste.

Über den tatsächlichen Verkaufspreis des ENOVOS –Aktienpakets von RWE und E.OS wurde Stillschweigen vereinbart und die Abstimmung im Gemeinderat der Stadt erfolgte hinter verschlossenen Türen. Begründet wurde dies damit, man wolle nicht auf den Aktienkurs von RWE- und E.OS-und der beiden anderen Privatinvestoren einwirken. Dies zeigt erneut, welch negativen Einfluss die sogenannten Finanzmärkte auf zwei fundamentale Prinzipien der Demokratie ausüben, die da heißen: Transparenz, sowie Einsicht der Bürger in die Verwaltung der Steuergelder und in die gemeindeeigenen Einrichtungen. Beide Prinzipien wurden hier grob missachtet.

Das Argument des Schöffenrats, die Stadt könne mit der zusätzlichen Beteiligung wiederum mehr Einfluss auf ihre Energieversorgung erhalten, offenbart die ganze Unsinnigkeit der vorgenommenen Privatisierung, hat doch vorher die Stadt ihre Energieversorgung zu 100% in der Hand gehabt!
Nun hat sie erneut tief in die Tasche zu greifen, um einen Teil des verlorenen Terrains zurück zu gewinnen!

Anlässlich der Privatisierung waren keine anderen Alternativen ernsthat untersucht worden, z.B. jene, die bereits im Jahre 2002 von Janine Frisch, der damaligen Vertreterin von déi Lénk im Gemeinderat vorgeschlagen worden waren. Gemeinsame Investitionen auf regionaler Basis hätten auch im Modell einer öffentlichen Gesellschaft oder einer Kooperation der Gemeinden mit oder in einer nationalen Energiegesellschaft getätigt werden können. Dies umso mehr, da ab 2012 die Möglichkeit einer kommerziellen Buchführung für die Gemeinden besteht und dies im Jahre 2010 bereits hinlänglich bekannt war. Doch nichts half; alle Weichen waren unausweichlich in Richtung Privatisierung gestellt worden. Und eben diese erweist sich nun als eine falsche Entscheidung !

Der Anstoß zur Liberalisierung des Energiemarktes war auf europäischer Ebene unter dem Motto erfolgt, der Konkurrenz Auftrieb zu geben und die Energiepreise zu senken. Rückblickend ist das Fazit aufschlussreich: öffentliche Monopole sind durch private ersetzt worden; die öffentliche Hand hat gegenüber dem Privatkapital massiv an Einfluss verloren, die öffentlichen Arbeitsplätze wurden weitgehend privatisiert und die Energiepreise sind zwischen 2010 und 2014 nicht gesunken, wie die beiden folgenden Graphiken aus dem Bericht des Institut luxembourgeois de régulation vom November 2015 zeigen.

Evolution des prix de la fourniture intégrée de l’électricité en Europe (2010 – 2014)

(Source Eurostat – 2e semestre)

stat enovos

Evolution des prix de la fourniture intégrée du gaz naturel en Europe (2010 – 2014)

(Source : Eurostat– 2e semestre)

stat enovos2

Inwieweit der Preisverfall des Öls (der Gaspreis ist auch heute noch zum Teil daran gekoppelt) die Energiepreise in Europa nach unten ziehen wird, bleibt abzuwarten.

Gemäß den Angaben der Stadt Luxemburg beliefen sich die Elektrizitätskosten bei einem Haushalt von 2 bis 3 Personen mit einem Stromverbrauch von jährlich 4.500 KWSt, im Jahre 2011 auf 764 Euro und im Jahre 2015 auf 801 Euro (TVA-Erhöhung von 6% auf 8%!). Für 2016 werden 760 Euro angegeben; es handelt sich hier um ein begrenztes Angebot bis Mitte März 2016.

Nun, wo RWE und E.ON ENOVOS verlassen, ist das Hauptargument der Privatisierung unglaubwürdig geworden, man müsse regional vorgehen und man brauche starke industrielle Partner über die Landesgrenzen hinaus, um Strom und Gas zu günstigen Preisen einkaufen zu können.

Die Stadt Esch hat anders gehandelt: Sie hat ihr Stromnetz und ihr Personal nicht privatisiert und sich nicht mit großen Energieversorgern zusammen getan. Sie vermietet ihr Stromnetz an Südstroum, deren alleiniger Teilhaber sie ist. Südstroum erwirtschaftet bei einem bedeutend geringeren Marktanteil[5] Millionengewinne[6] , die nach Rücklagen integral in die Gemeindekasse fließen. Sudgaz ist Netzbesitzer, gehört aber zu 100% den Südgemeinden. Auch die Gewinne[7] dieser Gesellschaft fließen also nach Rücklagen integral an die verschiedenen Gemeindekassen.
Zudem betreiben diese Gesellschaften nicht nur eine ökologische, sondern auch eine soziale Energiepolitik.
Gleichwohl schreibt das Institut luxembourgeois de régulation in seinem Bericht vom November 2015,: “il n’existe pas de très grandes différences de prix entre les différents produits des fournisseurs d’électricité et de gaz naturel”. Die Internetplattform www.calculix.lu ermöglicht den Preisvergleich zwischen den verschiedenen Energieanbietern. Daraus wird ersichtlich, dass LEO, ENOVOS, Südstroum und Sudgaz preislich gleichauf liegen.

… welche trotzdem mehrheitlich vom hauptstädtischen Gemeinderat gebilligt wurde.

Für die Stadt Luxemburg bleibt festzustellen, dass die Gemeinde im Namen der europäischen Liberalisierungspolitik um den Besitz ihrer Energienetze und um ihre eigenständige Energiepolitik gebracht wurde und jetzt ein weiterer Aderlassvorgenommen wird. Was erhält die Stadt als Gegenleistung ? Mehr Einfluss bei ENOVOS und CREOS, niedrigere Energiepreise, mehr Einnahmen und weniger Ausgaben in der Zukunft ? Unerfüllte Versprechen und das bisherige Demokratie- und Informationsdefizit lassen dies fraglich erscheinen !

Angesichts dieser Tatsachen hätten die beiden Gemeinderäte von déi Lenk es vorgezogen, eine Rekommunalisierung der Energienetze und des Energiehandels der Stadt Luxemburg ins Auge zu fassen – so wie dies bereits in mehreren deutschen Städten[8] geschehen ist. Sie haben sich deshalb beim Votum über den Kauf zusätzlicher ENOVOS-Aktien enthalten. Da der Vorschlag des Schöffenrats einer weiteren Beteiligung mehrheitlich gebilligt wurde, werden sie sich dafür einsetzen, dass die Stadt –zusammen mit den anderen öffentlichen Akteuren, die nun über eine große Mehrheit im Kapital von ENOVOS und CREOS verfügen – dort ihren Einfluss im Interesse der Bürgerinnen und Bürger verstärkt geltend macht. Und das in den Bereichen der Information, der Finanzen, der Umwelt und des Sozialen.
Guy Foetz, Gemeinderat déi Lenk Stadt Luxemburg, 05.02.2016

[1] Überarbeitete Version meines „Lëtzebuerger Land“-Artikels vom 22.Januar 2016.

[2] Weitere Teilhaber an CREOS Luxembourg S.A. sind Der Luxemburger Staat mit 2,28%, die Fédération des Installateurs en Equipements Sanitaires et Climatiques mit 0,10 %, 42 Luxemburger Gemeinden mit zusammen 2,13 % und Creos Luxembourg S.A. (actions propres.

[3] Derzeit finden Beratungen mit dem ILR statt zwecks Neufestlegung der Rendite für den Zeitraum 2017-2020. Es wird besonders aufgrund der niedrigen Bankzinsen mit einer Reduzierung der Rendite auf etwas über 5 % gerechnet.

[4] „L‘essentiel“ notiert am 16.3.2015: « Enovos a ainsi prononcé en 2014 un millier d’ordres de coupures d’énergie en raison de factures impayées.(…) La décision d’interrompre l’accès au gaz et à l’électricité survient pourtant en dernier recours, entre six et huit semaines après l’émission de la facture. Quand le client ne s’en acquitte pas, il reçoit, au rythme d’une missive tous les quinze jours, un rappel, puis un rappel recommandé majoré de frais de gestion, puis un courrier l’avertissant de la procédure de coupure. » ENOVOS handelt hier als private Gesellschaft. Allerdings muss daraufhin das Sozialamt eingeschaltet werden : « Une fois cette étape atteinte, la loi nous oblige à transmettre aux offices sociaux la liste des clients en défaut de paiement. S’ils détectent un cas connu de leurs services, ils reviennent vers nous», beschreibt der Verantwortliche für den Verkauf bei ENOVOS die Prozedur.»

[5] CREOS: 256.305 Anschlüsse; Südstroum: 18.084 Anschlüsse (31.12.2014- ILR-Statistik)

[6] Südstroum: 4,15 Millionen Euro Gewinn zwischen 2011 und 2014. Zusätzlich erhält die Stadt Esch einen jährlichen
Pachtzins von über 3 Millionen Euro.

[7] Sudgaz : 36.677 Anschlüsse (31.12.2014- ILR-Statistik); 9,57 Millionen Euro Gewinn zwischen 2011 und 2014.

[8] Stuttgart, Berlin, Hamburg.

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