Das inzwischen vorliegende « summarische » Gutachten des Rechtsbeistandes der Gemeinde wurde am 19.7.2018, zwei Tage nach dem Votum in der Abgeordnetenkammer, auf Anfrage von Georges Engel erstellt.
Die ganze bisherige Argumentation der Gemeinde (*), wie sie von ihrem Rechtsbeistand entwickelt wurde, wird mit diesem Brief des gleichen Rechtsbeistandes (welcher dem Gemeinderat bei seiner Entscheidung am 20.7.2018 schriftlich nicht vorlag) in Frage gestellt, ohne dass ein neues Element eingetreten wäre, und aufgrund von drei offensichtlichen Fehlinformationen:
Information Nr. 1: Die Mittelwerte sind höher als vorausgesagt.
Gemessen wurden 2012 nahe der Brauerei Mittelwerte von 57 µg/m3 an Stickoxyden (NOx oder NO2). Darauf hat sich der erste Einspruch vor Gericht (*) berufen.
Basierend auf diesen Werten wurde 2016 vorausgesagt (Gutachten des 17.1.2016 des Département de l’Aménagement du territoire), dass die Mittelwerte 2020 auf 45 µg/m3 fallen würden, allein wegen der technisch verbesserten Fahrzeuge:
„La valeur annuelle moyenne du Dioxyde d’azote NO2 au centre de Bascharage s’élève à 57 µg/m3 (valeur mesurée en 2012). Selon le pronostic effectué pour 2020, cette valeur diminuera sans la construction du contournement à 45 µg/m3 (malgré l’augmentation du parc automobile et grâce au progrès technique des véhicules) et après la construction du contournement à 31.33 µg/m3 (la valeur limite se situe à 40 µg/m3)“.
In der ersten Jahreshälfte 2018 liegen diese Mittelwerte, laut Aussagen von Bürgermeister Engel im Gemeinderat, bei 44,1 µg/m3. Das hieße, sie würden bereits unter den angekündigten Werten für 2020 liegen und wären somit sogar etwas schneller zurückgegangen als von der Verwaltung vorausgesagt.
Durch eine einfache bautechnische Maßnahme (zeitweilige Sperrung einer Zugangsstraße – der rue de la Résistance – vor der Messstation durch Erneuerungsarbeiten) lagen die Messwerte im Jahr zuvor (2017) bei 38 µg/m3, also unter dem europäischen Grenzwert von 40 µg/m3. (Qualité de l’air à Bascharage, rapport Emweltverwaltung, mars 2018). Wir verweisen hier auf unseren Faktencheck zu den NOx-Werten vom 19.7.2018 (www.suessem.déi-lenk.lu).
Was zeigt, dass örtliche Maßnahmen, wie von der Gemeinde Sanem in ihrem avis gefordert, bereits kurzfristige Verbesserungen bringen können.
Information 1 ist eine Fehlinformation und ist deshalb unbrauchbar!
Information Nr. 2 : Die « Variante 0 » wird somit hinfällig.
Für die Gemeinde Sanem heißt die Variante 0, dass keine Straße gebaut würde – aber nicht, dass nichts geschehen soll.
Im Gegenteil, sie bedeutet, dass z.B. lokale Maßnahmen durchgesetzt werden. Das ist bis heute nicht geschehen: keine Busspur, keine « grüne Welle”, kein Rond-point… wäre das geschehen, lägen die Werte heute schon deutlich niedriger.
Ohnehin werden die Diesel-Fahrzeuge (die hauptsächlich für die hohen NOx-Werte verantwortlich sind) mittelfristig von unseren Straßen verschwinden (das ist ein wirklich neuer Fakt seit 2017 aufgrund des Diesel-Skandals!).
Und ohnehin müssen die zahlreichen Maßnahmen des öffentlichen Verkehrs, die im MODU 2.0 angekündigt und geplant sind (z.B. auch das geplante große Auffangparking in Rodange), erst noch umgesetzt werden.
Die Simulationen der Verwaltung (die nur bis ins Jahr 2020 reichen) hätten vorausgesagt, dass die Alternativen nicht genug bringen würden, so die klassische Feststellung von Nachhaltigkeitsminister Bausch. Doch die aktuellen Messungen haben bereits die Voraussagen unterschritten, ohne dass die angekündigten Maßnahmen zur Reduzierung schon umgesetzt wurden.
Die Ernsthaftigkeit der Verkehrsprognosen für 2020 wurde in der Argumentation im 1. Recours (*) vor Gericht in Frage gestellt: “Les nombreuses simulations énumérées à la page 8 du mémoire en réponse de l’Etat et qui auraient été prises en considération pour l’étude Schroeder & Associés restent en l’état de pures allégations pour ne ressortir d’aucun des documents versés en cause. »
Information Nr. 2: Global werden im MODU 2.0 die Alternativen, die Bestandteil der 0-Variante waren, jetzt umgesetzt!
Information Nr. 3: Die Natura 2000-Zone in Bascharage ist illegal.
Bürgermeister Wolter hatte in der Chamber ein Urteil gegen eine Natura-Zone in der Gemeinde Bartringen benutzt, um die Legalität der Natura-Zonen LU0001027 und LU0002027 in Bascharage in Frage zu stellen.
Doch: Bartringen hat nichts mit Bascharage zu tun.
– In Bartringen wurde die Erklärung einer Natura-2000-Zone im Jahr 2016 durch den Einwand der Gemeinde verhindert (Urteil Nr. 37738 des Verwaltungsgerichtes vom 16.11.2017). Es gab sie also nie.
– In Bascharage will der Staat die Umgehungsstraße trotz Natura 2000-Zone, die spätestens seit 2009 staatlich anerkannt ist (règlement grand-ducal vom 6.11.2009) und schon lange zum europäischen Natura-Netz gehört, durchsetzen. Minister Bausch hat im Parlament bestätigt, dass die europäische Natura-Zone in Bascharage nicht deklassiert würde. Das könnte auch nicht mehr einseitig von der luxemburgischen Regierung geschehen.
Die Situation der einen Gemeinde hat also nichts mit der anderen Gemeinde zu tun. Außer … demselben Rechtsanwalt, was irgendwie doch befremdlich ist – zumal dieser uns jetzt den « Verlust » unseres Hauptargumentes durch seine Aktion für die andere Gemeinde in Aussicht stellt. Ein starkes Stück, wie wir finden!
Information Nr. 3 ist falsch und muss als Argument abgelehnt werden!
Wie sind die reellen Chancen jetzt in Rekurs zu gehen?
Alle Argumente die für den 1. Rekurs galten, sind noch immer richtig! Es gibt keinen Grund den verfrühten Rekurs nicht zu wiederholen. Die Chancen stehen nicht schlechter, sondern besser.
Die Interessen der Einwohner aus Bascharage und Sanem an intakter Natur haben Vorrang! Die im MODU 2.0 aufgezählten Aktionen müssen sofort in Angriff genommen werden! Die Menschen in Bascharage und anderswo haben genug gelitten. Mit der Natur macht man keine kurzsichtigen Kompromisse, der Mensch hat hier immer längerfristig das Nachsehen!
(*) Die Gemeinde hatte die Regierungsentscheidung über das definitive Zurückbehalten der Variante 2 bereits im Oktober 2016 beanstandet, wurde aber damit im Januar 2018 als “verfrüht” abgewiesen. Nach der aktuellen Gesetzeslage (Gesetz vom 15. Mai 2018 über die Evaluierung der Einwirkungen auf die Umwelt, Art. 15 und 21 zusammengenommen) wäre dieser Rekurs angenommen worden.
Zusätzliche Informationen:
Worauf basierte der 1. Rekurs? (*)
Der 1. Rekurs beruhte auf der Tatsache, dass eine Natura 2000 – Zone nur durchschnitten werden kann, wenn gravierende Gesundheitsprobleme vorliegen und wenn es keine Alternative zu der zurückbehaltenen Variante gibt. (intérêt public majeur)
In diesem ersten Rekurs vor Gericht (*), von dem gleichen Rechtsbeistand formuliert, hieß es völlig zurecht:
– Überzogene Werte vor einer einzigen Ampel rechtfertigen keine 4 km lange Strae durch den Wald – die zurückbehaltene Lösung (Contournement) ist völlig disproportioniert.
– Diese sogenannte Lösung verschleppt nur das Gesundheitsproblem nach Dippach, Sanem und weiter – und verlagert nur das Verkehrsproblem.
– Ein dringendes Gesundheitsproblem verlangt kurzfristige Lösungen des Verkehrs an Ort und Stelle – und kein Warten auf den Contournement. (Diese Lösungen, z.B. grüne Welle bei den Ampeln, sind nicht erfolgt: nicht 2016, nicht 2017 und nicht 2018!)
-Die Gemeinde Sanem hat zahlreiche Alternativen anstelle des Contournement vorgelegt, um das Verkehrsproblem auch regional – für die anderen Gemeinden – in den Griff zu kriegen, anstatt ihnen den Rückstau des Contournement zusätzlich aufzuhalsen!
– Es gibt keine wirkliche NATURA 2000 – Analyse nach den Erfordernissen des Europäischen Gerichtshofes.
Das alles stand in dem ersten Rekurs (*) der Gemeinde. Keines dieser Argumente wurde bisher widerlegt!
Sie gelten weiterhin als Basis für einen zweiten Rekurs! Sonst kann die Stichhaltigkeit dieser Argumente nicht von der europäischen Kommission und vom europäischen Gerichtshof überprüft werden.
Welche Rolle spielt die Industriezone Bascharage ?
Fallen die Argumente von Gesundheitsschutz aufgrund der europäischen Reglementierung weg, kommt der wirkliche Grund, eine Umgehungsstraße zu bauen, zum Vorschein : die Ausdehnung der überdimensionierten Industrie- und Gewerbezonen in Bascharage (mit eventuellem Tanklager am Bahnhof), die der Gemeinde Bascharage (und dem Staat) Einnahmen bringt.
Dieser ökonomische Grund gilt aber nicht. Die europäischen Bestimmungen des Naturschutzgesetzte schließen ökonomische Gründe ausdrücklich aus!
Die Argumente zum Schutz des einzigen intakten Naherholungsgebietes zwischen Bascharage und Sanem treffen übrigens auch auf die nationalen Naturschutzzonen („Dreckswiss“, „Linger Wiesen“ und „Boufferdanger Muer“) zu, die betroffen werden. Auch wenn ökonomische Argumente hier miteinbezogen werden könnten, müsste die Proportion zum Eingriff in die Natur gewahrt bleiben!